Mittwoch, 16. November 2011

Gentleman's Quarterly und das Adverb des Steve Jobs

November ist Rennsaison. Auf allen Fenstern und Scheiben rennen und rinnen die Wassertropfen dahin. Meist steil bergab, auf den Scheiben fahrender Autos, Busse, Züge und Straßenbahnen zieht es sie gerne auch mal seitwärts (erschwerte Bedingungen wenn passionierte Renn-Liebhaber wie Tom den Verlauf des Schicksal auf einen Regentropfen setzen).

An diesem frühen Morgen an der Bushaltestelle wird die Bedeutung des Tages schon beim ersten Blick auf die Rennbahn sichtbar. "Sehr schweres Geläuf", hört Tom den Ansager durch die scheppernden Lautsprecher sagen. Robert Downey Jr. auf dem Cover der aktuellen Ausgabe der "GQ" und das auf einer drehenden Litfaßsäule. Der Kommerz hat Einzug gehalten in die Welt des Regentropfen-Rennens. Die Startlinie ist beschriftet mit den Lettern "Gentleman's Quarterly. Lebensstil für Männer mit Anspruch". Das Starterfeld hat Aufstellung genommen, die Startglocke ertönt. Tom sucht aufgeregt und vergebens nach dem Lautstärkeregler seines Walkmans, um sich die Kopfhörer dann mit einem Ruck vom Kopf zu ziehen.

Die Worte "Think different" bilden die Ziellinie dieses zugegeben Kurzstreckenrennens, aber sich zu verspäten darf Tom sich heute auf keinen Fall erlauben.

"Ist different nicht eigentlich ein Adverb welches das Verb think bestimmt?".

"Was in Gottes Namen ist in den Kommentator gefahren?", entfährt es Toms innerer Stimme. Doch die Stimme ist weiblich und klingt nicht scheppernd. Es ist die Stimme von Molly. Und sie ist real. Tom dreht sich erschrocken um und fühlt sich ertappt. Wie so oft.

Donnerstag, 27. Oktober 2011

Es gab Zeiten, da lief in Fridas Leben wenig glatt. Wenig bis gar nichts, genau genommen. Verärgert klopft sich Frida auf den Hinterkopf, "nicht darüber nachdenken jetzt". Aber die Gedanken kommen immer wieder, regelmäßig, niederdrückend. Die Gedanken an ihren Vater, der starb, als sie acht Jahre alt war. An die Mutter, die nie darüber hinwegkam. Die seit Jahren Stimmen hört, die gar nicht da sind.
"Hörst Du nicht, wir werden abgehört", das hat sie gesagt, neulich, als Frida das Telefonat mit ihr führte, zu dem sie sich alle drei Tage verpflichtet fühlt. Mindestens.

Und dann ist da noch Molly. Über die Frida jetzt aber wirklich nicht nachdenken möchte.

Der Kaffee ist ausgetrunken. Frida wirft einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. "Geht so", denkt sie. Der schwarze Blazer muss sein, schließlich geht es heute um was. Frida strafft die Schultern, nimmt ihre große schwarze Umhängetasche, greift die Bärenfellmütze von der Kommode und lässt sie in dem schwarzen Ungetüm verschwinden. "Das soll eine Tasche sein?", hatte Tom sie neulich belustigt gefragt. "Wohl eher ein Müllsack!" Tom durfte so etwas zu ihr sagen, als einziger. Frida lächelt. Wie meistens, wenn sie an Tom denkt.

Auf dem Weg zur Tür dreht sie sich noch einmal um, geht ins Wohnzimmer und zieht das schwarze Metallica-Album aus dem CD-Regal.

Freitag, 14. Oktober 2011

Night on earth

"Blood, Sugar, Sex and Magic" von den Red Hot Chili Peppers, das "Schwarze Album" von Metallica, Nirvana mit "Nevermind", Pearl Jam mit "Ten" und U2's "Achtung Baby". Alle aus dem Jahr 1991. Ein gutes Jahr für den Rock'n'Roll, denkt sich Tom. Er denkt das, was er zu jemandem sagen würde, wenn er nicht alleine vor seinem Schallplattenregal säße. Tom überlegt, ob er den Satz nun wirklich gesagt hatte oder doch nur gedacht.
Frida würde dies interessieren. Frida interessierte sich schliesslich für alles, worüber man lange reden und nachdenken konnte. Ist der Gegenstand auch noch so lapidar, lässt sich lange über ihn grübeln, abwägen, um ihn streiten, so ist er es wert. Sagt Frida.
Er könnte eine Liste füllen mit Themen dieser Art über die Frida und er noch nicht das letzte Wort gesprochen haben. "Nein, für heute genug Listen", denkt er und ist wiederum im Zweifel, ob dies nur ein Gedanke oder ein gesprochener Satz war.
Er greift zum Handy - 2:37 - und verfasst eine SMS an Frida.

Mittwoch, 5. Oktober 2011

Schlaflos

Mit einem dumpfen Ton platschen die Tropfen aus der undichten Regenrinne auf den Balkon. Monoton, in immer gleichen Abständen. Verärgert rollt sich Frida in ihre Decke ein, ihre Augen suchen die Digitalanzeige des Weckers. 2:38 steht da in anklagendem Rot. "Und Du schläfst noch nicht?!", scheint der Wecker zu rufen. Nein, Frida schläft noch nicht. Zu viele Gedanken kreisen durch ihren Kopf. Seit Tagen schon putzt sie Klinken, mit Tom, für ihr gemeinsames Projekt. Die Idee für den Film haben sie schon lange im Kopf, allein, es fehlt das Geld. Der Termin morgen früh könnte daran etwas ändern.

"Verdammt, ich muss schlafen", schimpft sich Frida und kneift die Augen zu, als könne sie sich so ein bisschen müder machen.

Die anklagend roten Stunden vergehen, ziehen sich wie Kaugummi. Im Morgengrauen gibt Frida auf, tapst in die Küche, kocht Kaffee. Auf ihrem iPhone erscheint eine SMS. Tom. "Denkst Du an die Bärenfellmütze?", fragt er.

Müde reibt sich Frida die Augen.

Der Anfang

Manchmal, da könnte Tom nur noch den Kopf schütteln. Über sich selbst, über manche Menschen, über die Welt. Einzig Frida scheint für ihn immer das richtige zu sagen, nur sie weiß stets, was zu tun ist.

Frida ist Toms enge Vertraute und Geschäftspartnerin. Sie redet nicht viel und ist ständig bemüht, im Alltäglichen das Besondere zu sehen, im Großen das Kleine.

Dies ist ihre Geschichte.